Neue Stele vor dem Ehringshäuser Krankenhaus – Beständigkeit im Wandel.
Ehringshausen. Markant steht sie da, die neue Stele am Eingang des Kaiserin-Auguste-Victoria-Krankenhauses in Ehringshausen. Unverrückbar ragt der kantige Block aus dem Kies, solide Sicherheit ausstrahlend. Der dunkle, raue Schieferstein bildet einen auffallenden Kontrast zur weißen Fassade und den hellen Kiesflächen. Das Edelstahllogo der Klinik glänzt in der Sonne. Ringsum grünt es frisch. Ein vorbeikommender Patient mit Phantasie kann japanisches oder zumindest fernöstliches Design erkennen. Aufgefallen sei ihm der Block – sagt er jedenfalls und befindet noch: Schick! Dann eilt er ins Haus zu seinem Termin.
Mitte April war die neue Stele plötzlich da. Mustafa Divar, Klaus Roth und Wolfgang Orthmüller, die Haustechniker der Klinik, hatten sie geplant, hergestellt und gesetzt, wie immer ohne viel Aufhebens von der Sache zu machen. Auch an eine nächtliche Beleuchtung wurde gedacht. Auf die vorsichtige Frage nach einem eventuell gewollten Design-Bezug zu Japan schüttelt man nur den Kopf, lacht und geht wieder an die Arbeit.
Fragen wir den Chef. Michael Werner sitzt in seinem Büro, das eigentlich eine Art Gemeinschaftsbüro ist, denn die Zwischentüren zur Prokuristin und dem kaufmännischen Leiter stehen meist offen. Seit über 27 Jahren arbeitet er in der Klinik, Geschäftsführer ist er seit 2019. Er hat viel gesehen und erlebt, ist mit dem Haus verwachsen. Werner kann nach kurzem Überlegen dann doch einen Bezug zu dem Land der aufgehenden Sonne herstellen, der allerdings eher zufällig ist und der sich nach seinen Worten auch nicht auf den ersten Blick offenbart. Dafür müsse man das Haus kennen, das Wir-Gefühl der Mitarbeiter, ihre Bereitschaft, alle Veränderungen und Wechselfälle positiv zu nehmen und das Beste für die Patienten daraus zu machen. Aus Japan nämlich stamme der weise Spruch: »Fürchte dich nicht vor Veränderungen, fürchte dich vor dem Stillstand.« Dieses fernöstliche Motto, so Werner, das könnte glatt auch als inoffizieller Wahlspruch des Kaiserin-Auguste-Victoria-Krankenhauses durchgehen. Denn immer wieder hat die Klinik mehr oder weniger starke Veränderungen durchlebt. Gegründet 1913 hatte sich das einst von Diakonieschwestern betriebene Haus in seiner Geschichte als Lazarett genau so zu bewähren wie als Allgemeinkrankenhaus. Ab den 1970er Jahren wurden die Klinken in Wetzlar und auch in Dillenburg durch die zunehmende Mobilität der Patienten allmählich Wettbewerber. Ab den 1990er Jahren mussten verschiedene Gesundheitsreformen bewältigt werden. Das Belegarztsystem sichert der Ehringshäuser Klinik eine gewisse Einzigartigkeit, doch das politische Klima verschiebt sich seither immer mehr hin zur Förderung von riesigen Einheiten. Kleinere, individuelle Häuser stehen nicht mehr im Fokus der Gesundheitspolitik. Die Diakonieschwestern gaben das Haus in den 2000er Jahren ab. Dies und weitere Besitzerwechsel der Klinik waren Herausforderungen, die mit Bravour gemeistert wurden. Wichtig war immer, dass der Patient im Vordergrund steht. In Ehringshausen gab es daher keine schleichende Ausdünnung des Personals. Mit 20% mehr Pflegekräften pro Patient steht das Haus heute im Hessenvergleich überdurchschnittlich gut da. Auch in der Patientenzufriedenheit belegt man Spitzenplätze; es zahlt sich eben aus, wenn man sich kümmern kann. 2019 brach die seit der Gründung bestehende Geburtshilfe und damit eine wichtige Säule weg. Immerhin etwa 450 neue Erdenbürger kamen dort Jahr für Jahr auf die Welt. Doch für kleine Kliniken wird es zunehmend unmöglich, in diesem Bereich aktiv zu sein. Mit der Ehringshäuser Geburtshilfe wurde auch die Gynäkologie eingestellt. Als Ersatz baut die Klink seither andere Bereiche aus, etwa das Angebot in den Bereichen Orthopädie oder Kardiologie. Mitten in diesem Prozess kam Corona. In Windeseile richtete man noch im März/April 2020 im ehemaligen Kreißsaal vier Beatmungsplätze ein. Gebraucht wurden sie dann nicht, aber dass man für Ehringshausen da sein wollte, kam gut an. Natürlich gingen durch Corona die allgemeinen Behandlungszahlen erst einmal zurück. Corona hat das Haus aber insgesamt nicht so sehr zurückgeworfen, wie andere Kliniken, so Werner. Die menschlich warme Atmosphäre ist ein großes Plus, gerade in unsicheren Zeiten. Der Wandel im Ehringshäuser Krankenhaus lässt sich jedenfalls durch Corona nicht aufhalten. Neue Ärzte erschließen kontinuierlich neue Behandlungsfelder. So werden seit April 2021 Knie-Prothesen eingesetzt. Sogar kosmetische Chirurgie gibt es inzwischen. Die Fallzahlen steigen daher wieder. Viele Patienten wissen zu schätzen, dass sie in immer mehr Spezialbereichen wohnortnah behandelt werden können.
Alles wandelt sich – für kaum eine Klinik in Mittelhessen gilt das so sehr wie für das Ehringshäuser Kaiserin-Auguste-Victoria-Krankenhaus. Im Haus macht man indes nicht viel Aufhebens von diesem Wandel. Denn was sich nach Werners Worten auch hoffentlich in weiteren hundert Jahren nicht geändert haben wird ist die menschliche Wärme in der Behandlung, das gute Miteinander der Beschäftigten und der Fokus auf jeden Patienten. Das wird bleiben, ist er überzeugt. Diese Beständigkeit, ja was könnte sie eigentlich besser symbolisieren als die neue Stele am Eingang. Ganz ohne Japan.
(Text: Hischer, Bilder: Freund)